8. November 2022
Werkstattgespräch zu “OFFLIИE”
Mehran Djojan ist der rbb-Gewinner des bundesweiten Ideenwettbewerbs „ARD Kultur Creators“. Er überzeugte die Jury mit der Idee zur Doku „Offline“ – eine Serie über drei befreundete Models aus Russland und der Ukraine. Nun ist sein bewegendes Regie-Debüt in der ARD Mediathek zu sehen. Im Interview erfahren wir mehr über ihn und die Dreharbeiten…
Wie ist die Idee zu deinem Film-Projekt entstanden?
Mit “Offline” wollte ich den Einblick in eine Welt eröffnen, die vielen nicht zugänglich ist. Einen Blick in die Mode- und Online-Welt voller Absurditäten und Kontraste. Das Ganze aus der Perspektive von jungen Menschen, die nicht das Privileg haben einen EU-Pass zu haben. Dadurch, dass ich so eng mit meinen Protagonist*innen befreundet bin, habe ich eben einen besonderen Zugang.
Wie hast du die Drei kennengelernt?
Mit “Offline” wollte ich den Einblick in eine Welt eröffnen, die vielen nicht zugänglich ist. Einen Blick in die Mode- und Online-Welt voller Absurditäten und Kontraste. Das Ganze aus der Perspektive von jungen Menschen, die nicht das Privileg haben einen EU-Pass zu haben. Dadurch, dass ich so eng mit meinen Protagonist*innen befreundet bin, habe ich eben einen besonderen Zugang.
Wie war es für dich, Tanya, Valeriia und Daniel über drei Jahre lang aus nächster Nähe zu begleiten? Was war dir wichtig beim Drehen?
Die Arbeit an “Offline” hat meistens viel Spaß gemacht. Mir war es wichtig sowohl Höhen wie auch Tiefen meiner Protagonist*innen zu zeigen, ohne irgendwelche Situationen zu erzwingen. Für mich ist die Entwicklung, die sie während dieser Zeit durchgemacht haben, sehr inspirierend und über die Zeit hat sich unsere Freundschaft intensiviert. Tanya hat angefangen unter ihrem Künstlernamen Chudnyy unglaublich gute Musik zu veröffentlichen, Valeriia hat sich immer mehr von der Modewelt distanziert und setzt nun den Fokus auf Schauspielerei und Aktivismus. Daniels Bemühungen, sich als Influencer selbständig zu machen, tragen endlich Früchte. Das heißt allerdings nicht, dass es immer einfach für mich war mit meinen Freunden zu drehen. Aber alles in allem gibt es einfach weniger Hemmschwellen von beiden Seiten.
# Offline zeigt nicht nur das Leben von Tanya, Valeriia und Daniel in Berlin, du reist u. a. auch mit ihnen nach Kiew. Welche Szenen haben dich besonders bewegt?
Als Tanya und ich im August 2021 in Kiew angekommen sind, habe ich zum ersten Mal Daniels Eltern kennengelernt, die Tanya und mich wie Familienmitglieder aufgenommen haben. Das Tanya Russin ist, hat überhaupt keine Rolle für sie gespielt. Wir sind mit Daniels Mutter sogar noch nachts auf ihren ersten Rave gegangen. Das war wirklich witzig. Zu dem Zeitpunkt habe ich pandemiebedingt Berlin kaum verlassen und die Zeit in Kiew hat sich wieder wie das echte Leben angefühlt. Einige Tage später hatte ich die Gelegenheit, Kiew zum ukrainischen Unabhängigkeitstag zu erleben. Für mich bleibt das ein surreales Erlebnis. Die ganze Stadt war voll mit Panzern und Raketen, die durch die Stadt fuhren und von unzähligen Menschen bejubelt wurden. Ich habe vorher noch nie Waffen oder Panzer in echt gesehen. Das Ganze dann in dieser sommerlich fröhlichen Szenerie zu erleben, war absolut skurril für mich.
Während eurer Dreharbeiten beginnt im Februar 2022 der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Welche Auswirkungen hatte der Krieg auf die Serie?
Es gab tatsächlich einen Moment, in dem ich daran gedacht habe, den Dreh abzubrechen oder zumindest nicht mehr weiterzudrehen, bis sich die Lage beruhigt hat. Valeriia ist einen Tag vor Kriegsausbruch nach Kiew gereist. Daniel, der glücklicherweise in Paris war, hatte keine Möglichkeit seine Familie in Kiew zu sehen, ohne selbst in der Ukraine festzusitzen. Und für Tanya, die nach mehr als drei Jahren endlich ihre Familien im russischen Tscheljabinsk besuchen wollte, war das nach Ausbruch des Krieges natürlich keine Option mehr.
Dennoch hast du dann beschlossen, weiterzudrehen..
Ja, da die Ereignisse so einschneidend für alle drei Protagonist*innen waren. Mir war es dennoch wichtig, dass “Offline” nicht als eine Kriegsgeschichte gesehen wird und man alle anderen Themen, die in dem Projekt eine Rolle spielen nicht mehr wahrnimmt. Als ich angefangen habe, zu drehen und noch nicht absehen konnte, wie sich “Offline” entwickeln wird, wusste ich aber genau, was für ein Gefühl ich vermitteln will. Es ging mir um Verständnis, Hoffnung, Zusammenhalt, Witz und um eine Leichtigkeit – so wie ich sie stark bei meinen Protagonist*innen wahrnehme. Dieses Gefühl zu transportieren, trotz der Schwere die der Krieg in das Leben meiner Protagonist*innen brachte, war mir sehr wichtig.
Langzeitdokumentationen sind eine große Herausforderung, auch aufgrund der Fülle des Materials. Hattest du eine bestimmte Philosophie, ein Motto beim Schnitt?
Zu Beginn habe ich sehr viel alleine gesichtet. Das war zeitweise ziemlich hart. Vor allem dann, wenn sich Material angestaut hat. Später fiel mir das deutlich leichter. Ich hatte das große Glück mit Stefanie Kosik-Wartenberg zusammenarbeiten zu können, die komplett verstanden hat, was für ein Gefühl ich rüberbringen möchte und sehr viel Respekt vor meinen Protagonist*innen hat. Mit ihr zusammen hat das Schneiden wirklich Spaß gemacht und ich wurde durch sie nochmals dafür sensibilisiert, was für eine Kunst das Schneiden ist.
Offline ist dein Regie-Debüt. Eigentlich bist du Fotograf. Willst du in Zukunft weiterhin in beiden Welten unterwegs sein? Hat dich Offline auf neue Ideen gebracht?
Ich möchte auf jeden Fall weiterhin Filme machen und habe schon einige Ideen. Ob mein nächstes Projekt dokumentarisch oder fiktional sein wird, wird sich noch zeigen. Dass ich weiterhin als Fotograf arbeiten werde, steht für mich außer Frage. Beide Welten haben noch so viel zu bieten!
Alke Lorenz